von Michael Brey
August in der Pole Position

Ein imposanter Reiter mit Marschallstab sitzt auf einem kräftigen Pferd, dessen Hinterbeine wie eine gespannte Feder gebogen sind. Staub scheint um die um die Hufe zu wirbeln, während der Reiter in Ruhe und Kontrolle verharrt. Sein entschlossener Blick und der glänzende Schuppenpanzer betonen seine Autorität. Diese Szene zeigt August den Starken als Goldenen Reiter am Neustädter Markt in Dresden.
Ursprünglich sollte das Reiterstandbild in Bronze auf einem monumentalen Wachgebäude an der Augustusbrücke stehen. Doch nach Augusts Tod wurde es stattdessen auf dem Platz davor aufgestellt. Der Zweite Weltkrieg zerstörte große Teile der Neustadt, doch das Denkmal überdauerte und zieht noch heute Besucher an, die es mit Bewunderung – oder Smartphones – betrachten.
Seit der Antike dienten Reiterstandbilder als politische Statements. Das berühmte Vorbild Marc Aurels auf dem Kapitol in Rom beeinflusste viele nachfolgende Darstellungen, von Karl dem Großen über Donatellos Gattamelata bis hin zu Ludwig XIV. Der Goldene Reiter bricht jedoch mit diesem Erbe.
Die Levade als Verkörperung der vollkommenen Kontrolle
Im Gegensatz zu den üblichen Reiterstandbildern, die Herrscher in ruhiger Haltung und die Pferde im Trab zeigen, hebt der Goldene Reiter die Darstellung von Macht auf eine neue Ebene.
Die Levade, eine herausfordernde Figur der klassischen Reitkunst, verlangt extreme Kraft und Präzision. Sie verkörpert die volle Kontrolle des Reiters über das Pferd – und damit des Herrschers über das Reich. Die schwebende Bewegung der Reiterfigur verleiht dem Standbild eine fast übermenschliche Aura.
Die Entscheidung Augusts des Starke für die Levade ist erstaunlich unkonventionell.
Augusts Faszination für Reiterdarstellungen
Augusts Benchmark, Ludwig XIV. lehnte beispielsweise ein Reiterstandbild Berninis ab, in der das Pferd aufstieg. Es erschien ihm zu theatralisch. Stattdessen ließ er eine Reiterfigur von François Girardon anfertigen, das königliche Würde über Dramatik stellte. August der Starke erwarb später eine Bronzestatuette nach diesem Vorbild. Doch im Grünen Gewölbe stand der klassischen Variante nach Girardon eine Levade-Darstellung von Jean-Joseph Vinache gegenüber – eine spannungsvolles Nebeneinander zweier sehr unterschiedlicher Inszenierungen von Macht.
Technische Herausforderungen
Auch der Herstellungsprozess war innovativ. Ein Bronzeguss des Goldenen Reiters war aufgrund mangelnder Fachkräfte und hoher Materialkosten nicht realisierbar. Schon Leonardo da Vinci scheiterte an ähnlichen Problemen mit seinem Reiterstandbild für Ludovico Sforza. Schließlich wurde die Statue von Ludwig Wiedemann in Kupfer getrieben und feuervergoldet – eine beeindruckende technische Meisterleistung.
Der Goldene Reiter lebt weiter
Wer glaubt, August sei nur noch eine vergoldete Statue aus Kupfer aus dem 18. Jahrhundert, der sollte sich einmal in Dresden umsehen. Bis heute ist der Goldene Reiter mehr als ein Denkmal. August der Starke scheint noch immer über Sachsen zu wachen. Ob die Liebe der Sachsen zu Prunk und Pracht, die Vorliebe für opulente Feste oder der Hang zu monarchischen Gesten – all das erinnert an den einstigen Herrscher. Der Geist des Goldenen Reiters lebt weiter – in jeder rauschenden Ballnacht, ob in ehrfürchtiger Betrachtung oder als Fotomotiv für die sozialen Medien.